Donnerstag, 18. Juni 2009

Schuhgeschichten

Schuhgeschichten
Von Marianne Mühlemann.

Im Musikspektakel «Ojota 4» des Schweizer Komponisten Daniel Ott spielen 11 Musikperformer und zwei Schauspieler mit Tönen, Schritten und – vielen vielen Schuhen.

Nein, ein Schuhfetischist sei er nicht, höchstens ein «leidenschaftlicher Geher», sagt Daniel Ott. Er selber habe meistens nicht mehr als fünf Paare zu Hause. Je eines für verschiedene Zwecke und Jahreszeiten. «Schuhe interessieren mich als Symbol, als Bild für die Schritte und Wege, die damit gemacht werden. Und mich interessiert, was sie in verschiedenen Kulturen bedeuten.» Der 1960 im Appenzellischen geborene Komponist, der in Berlin eine Professur für Komposition und experimentelles Musiktheater bekleidet, hat Schuhe zum Thema einer Reihe von Stücken gemacht.

Vier verschiedene Schuhstücke hat er seit 1996 komponiert. Sie heissen «Ojota 1 bis 4» nach dem Begriff für Schuh in der Sprache der südamerikanischen Ketschuan-Indios. «Ojota 1» war eine Raumkomposition für einen Spieler und fünf Schuhpaare. «Ojota 2», ein Werk mit variabler Besetzung. Auch da kamen Schuhe vor, diesmal als Schuhgeräusche. Es folgten «Ojota 3» und im Jahr 2000 «Ojota 4». Jetzt, neun Jahre später, «nach einer längeren ,Ojota‘-Pause», hat ihn das Schuhfieber wieder eingeholt. «Ich freue mich darauf, mit verändertem Blickwinkel zurückzukommen auf eine ältere Arbeit und zu sehen, was noch stimmt.»

Das Hören verändert den Ort

Ursprünglich war Daniel Ott Pianist. Doch das Klavier setzt er in seinen Arbeiten selten ein. Da spielen oft Schlagzeuger, Blechbläser und Sänger mit. Warum? «Als Komponist ist für mich die Distanz zum Geschehen wichtig. Einen Schritt zurückzutreten, fällt mir bei meinem eigenen Instrument am schwersten.» Zudem seien diese Instrumente besonders geeignet, «akustisch und wettertechnisch», für Musik im Freien. Immer wieder hat er in den letzten Jahren Werke für spezielle Orte komponiert. Seine Stücke erklangen am Hafen, in der Flughalle im Verkehrsmuseum oder im Klangkörper von Peter Zumthor. «Räume und Orte beherbergen einen Klang einen Moment lang. Die Reibung des flüchtigen Klangs mit dem Statischen von Architektur und Landschaft fasziniert mich», sagt Ott. Und: «Das Hören verändert die Wahrnehmung und damit den Ort.» Es reize ihn, Unikate zu schaffen, die nur an einem bestimmten Ort, zu bestimmten Zeiten, von bestimmten Personen wahrgenommen werden. Genauigkeit ist ihm wichtig. «Ich fühle mich zufriedener, wenn eine Arbeit genau und konkret ist.»

Wie «Ojota 4». Das Stück beschreibt eine Reise mit unbekanntem Ziel. Wie an Schnüren gezogen durchschreiten die 13 Darsteller den Raum. Mal singend, mal sprechend. Es entsteht eine Matrix aus imaginären Linien und Pfaden zwischen Schuhen. Eine Schuhgeschichte ohne Handlung, in der sich Bild und Klang verzahnen. Ein Teil der Aufführung findet im Freien rund um die Vidmar-Hallen statt, einmal um 23.30 Uhr bei völliger Dunkelheit, einmal am Nachmittag bei Sonnenlicht. (Der Bund)

Erstellt: 18.06.2009, 01:15 Uhr

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